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Geschlechtergerechtigkeit & Diversität im Jazz

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Einleitung

Egal, ob Rundfunk-Bigbands, Musikhochschulen oder Jurys: weiße akademische Männer sind im deutschen Jazz in der klaren Überzahl. Überraschend für ein Genre, das so viele eigentlich mit Offenheit, Diversität und Toleranz verbinden.

In Deutschland sind laut der Jazzstudie 2022 ca. 70 Prozent der professionellen Jazzmusiker*innen männlich. Die Szene könnte also ein großes Stück Diversität vertragen.

Woher kommt dieses Machtgefälle? Wie sehen das vereinzelte Stimmen aus der Szene? Und was wird unternommen, um die deutsche Jazzlandschaft diverser zu gestalten? 


 

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Kapitel 1: THIS IS A MAN'S WORLD. Der Status Quo des Jazz in Deutschland

Bisher gibt es für den deutschen Raum vor allen Dingen zwei Studien, die sich empirisch mit diesen Themen befassen, herausgegeben von der Deutschen Jazzunion, der Vereinigung, die sich für die Interessen von Jazzmusiker*innen in Deutschland einsetzt.

Die Meta-Studie „Gender.Macht.Musik. Geschlechtergerechtigkeit im Jazz“ von 2020 basiert auf Nachauswertungen der Jazzstudie 2016 und einer Mitgliederbefragung 2018. Erste Fakten und Zahlen werden erhoben. Ein guter Anfang.

Dann kommt die Corona-Pandemie. Die ohnehin schon prekäre Arbeitssituation von Jazzmusiker*innen spitzt sich zu, vorhandene Ungleichheiten werden verstärkt. Es braucht neue Zahlen und Fakten, um die Interessen von Jazzmusiker*innen kulturpolitisch verteidigen zu können.

Das wird schließlich in der „Jazzstudie 2022" deutlich: Hier sollen vor allen Dingen neue Themen in den Fokus gerückt werden: Es geht um Zugangsbarrieren, Diskriminierungsformen, Privilegierungen. Hinzu kommt, dass der identitätspolitische Diskurs vorangeschritten ist: Gerade im Bereich der Gender-Fragen geht es nicht mehr allein nur um Männer und Frauen. Auch Menschen außerhalb des binären Spektrums werden befragt.

In Deutschland gibt es laut der Studie geschätzt 12.000 professionelle Musiker*innen, von denen 1000 Personen befragt wurden. Dabei ist die Kategorisierung nicht ganz einfach: Denn wer als Jazzmusiker*in im professionellen Bereich zählt, wird von der „KSK“ — der Künstler-Sozialkasse — definiert. Und das in einer Kategorie: „Jazz/Rock/Pop“.

Eine Berufsgruppe also, die sich nicht ganz so einfach greifen lässt, denn Musiker*innen arbeiten oftmals auch im cross-over-Bereich. Hinzu kommt, dass diese Berufsgruppe nicht geschützt ist.
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Viele verbinden mit Jazz ein offnes und diverses Genre. Dass aber auch in diesem Genre Diskriminierungen wie etwa Sexismus oder Rassismus stattfinden, passt für manche nicht ins Bild. Was macht das mit der Szene?
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Ein zentraler Punkt der Jazzstudie 2022 ist unter anderem das Thema "Klassismus". Also die Frage, inwiefern soziale Herkunft  den weiteren Verlauf des Lebens in unterschiedlichen Bereichen bestimmt. Wie ist die deutsche Jazzszene dahingehend geprägt?
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Wie klassistisch ist die deutsche Jazzlandschaft?

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Ausgeschlossen sein. Das sind FLINTA-Personen auch nach wie vor in leitenden und entscheidenden Funktionen. Dazu zählen Bereiche wie etwa Festivalleitungen oder Professuren an Musikhochschulen. Derzeit gibt es nur 3 Instrumentalprofessorinnen an deutschen staatlichen Musikhochschulen in Deutschland. Erst 2018 wurde die erste weiblich besetzte Instrumentalprofessur vergeben: Und zwar an die Schlagzeugerin Eva Klesse an der Hochschule für Musik Theater und Medien Hannover.
Auch Bettina Bohle kritisiert diese sogenannte gläserne Decke, also eine unsichtbare Barriere, mit denen FLINTA-Personen häufig konfrontiert sind:
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Wie divers sind deutsche Jazzinstitute?

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Dabei verrichten FLINTA-Personen strukturell gesehen auch oftmals sogenannte Care-Arbeit und sind somit einer Doppelbelastung ausgesetzt. Care-Arbeit: Sich kümmern, sorgen, pflegen. Eine Tätigkeit, mit der sich FLINTA-Personen oftmals identifizieren und in der Verantwortung sehen, weil sie durch weibliche Sozialisation so konditioniert sind. Das geschieht beispielsweise im Kontext von Elternschaft, aber auch im Bereich der Pflege. Diese Aufgaben kollidieren dann meist mit den Arbeitsstrukturen einer Jazzmusiker*in, weil Proben oder Konzerte oftmals abends stattfinden. Der Job beginnt also, wenn z.B. das Kind ins Bett gebracht werden muss:
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Care-Arbeit im Jazzberuf

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Kapitel 2: Jazz & Gender

Jazz ist schon immer von Machtverhältnissen durchzogen. Um das zu verstehen, lohnt es sich, sich die Sozialgeschichte des Jazz anzuschauen: Jazz. Das ist nicht nur eine Musikrichtung, ein Genre. Sondern so viel mehr als das. Damit verbunden ist eine Lebensweise, die historisch tief verankert ist mit der Auflehnung gegen strukturelle Unterdrückung, eine kreative Form des Widerstands gegen Rassismus und totalitäre Systeme. Und das durch alle Zeiten.Wer sich sowohl wissenschaftlich als auch musikalisch-praktisch mit Genderfragen im Jazz beschäftigt, ist Monika Herzig. Sie ist nicht nur Professorin für Artistic Research an der JAM MUSIC LAB Private University in Wien, sondern auch Jazz-Pianistin und Komponistin.
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Inwiefern sind bestimmte Bereiche des Jazz vergeschlechtlicht? Denn Fragen rund um Gender, Race und Class sind Teil der kulturhistorischen Dimension im Jazz. Wie kommt es, dass FLINTA-Personen in der Jazzgeschichte marginalisiert sind? Für Monika Herzig ist vor allen Dingen das damalige Rollenverständnis zentral. Und das existiert schon zu den Anfangszeiten des Jazz in den USA.
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Monika Herzig über Genderkonstruktionen im Jazz

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Kapitel 3 Refocus Herstory / Women in Jazz

Im Gespräch mit der Saxofonistin, Bandleaderin & Komponistin Gabriele Maurer
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Die Saxofonistin, Vokalistin & Bandleaderin Gabriele Maurer hat sich zuletzt mit intensiven Recherchen befasst — und zwar zu ihrem Herzensprojekt „Refocus Herstory — Women in Jazz“.


Sie hat sich vorgenommen, Jazzmusiker*innen des 20. Jahrhunderts im deutschen Raum wieder Sichtbarkeit zu geben. Denn im Gegensatz zum US-amerikanischen Raum steht die Forschung hierzulande erst am Anfang. Ausschlaggebend ist für Gabriele Maurer anfangs vor allen Dingen die Beschäftigung mit sich selbst als Schwarze Saxofonistin und der Suche nach weiblichen, nicht-weißen Vorbildern. Der Aufsatz „Gender, Sexuality and Saxophone Performance“ von Yoko Suzuki ist für die Musikerin besonders inspirierend:
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Kapitel 4

Im Gespräch mit Erik Leuthäuser


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"When Did Jazz Go Straight?"

Das fragt Sherrie Tucker von der University of Kansas in ihrem gleichnamigen Aufsatz aus dem Jahr 2008.

Eine wichtige Ausgangsfrage. Denn Heteronormativität wird in so vielen gesellschaftlichen Bereichen als natürliche Gegebenheit angesehen, ist also allgegenwärtig. Und wird oftmals gar nicht erst hinterfragt. Sherrie Tucker stellt eine ganz wichtige Frage. Denn die Frage „seit wann ist Jazz heterosexuell?“ fragt nicht nach einem bestimmten historischen Zeitpunkt. Viel mehr soll die Frage klarstellen, dass Heterosexualität als Norm künstlich gesetzt ist, ein Konstrukt ist. Und das eben auch in der Geschichte des Jazz, die durch Kanonisierung und Zuschreibungen eben diese Norm produziert. Und somit auch Queerness als das vermeintlich Andere markiert.
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Und das eben auch in der Geschichte des Jazz, die durch Kanonisierung und Zuschreibungen eben diese Norm produziert. Und somit auch Queerness als das vermeintlich Andere markiert. Dabei ist die Jazzgeschichte untrennbar mit Queerness verbunden, ist ohne die Schnittstellen von Race, Geschlecht, sozialer Herkunft und Klasse gar nicht zu denken: Jazz wird unter anderem in den Saloons, Bordellen und Clubs wie etwa im Vergnügungsviertel Storyville in New Orleans gelebt. Von Menschen, die rassistischen Zuschreibungen ausgesetzt sind, die der gesellschaftlichen Norm nicht entsprechen, weil sie nicht weiß und heterosexuell sind. Eben diese Räume bieten gleichzeitig Schutzräume für jene Menschen, die in anderen Bereichen gesellschaftliches Tabu sind. Jazz ist also untrennbar mit den Geschichten dieser Menschen verbunden.

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Erik Leuthäuser über Männlichkeiten im Jazz

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Über Männlichkeiten im Jazzgesang

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"Queer Cheer" - ein Kollektiv, das noch relativ am Anfang steht. Diskurskultur überdenken, Menschen in Machtpositionen in die Verantwortung nehmen. Die Gruppe setzt zumindest ein erstes starkes Zeichen für die Jazzcommunity in Deutschland. Und kann die Szene dazu bewegen, inklusiver zu werden.
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Kapitel 5

Im Gespräch mit der Sängerin Lucia Cadotsch über die Rolle der Bandleaderin, Performance-Druck und Care-Arbeit.
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Kapitel 6

Die Deutsche Jazzunion, drei Musiker*innen, ein Kollektiv, eine Musikwissenschaftlerin. Sie alle kämpfen in ihrem Gebiet für Gendergerechtigkeit im Jazz, für Sichtbarkeit der Menschen, die in den Hintergrund geraten sind. Aber eigentlich immer da waren. Mir wird klar, wie sehr wir es mit einer Kontinuität von Ungerechtigkeiten zu tun haben, wie sehr Rollenbilder noch heute fortwirken.Aber was kann hier und jetzt getan werden, um etwas zu bewegen?
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Linda Davis, Leiterin der AG „Gender & Diversity“ erzählt von einigen Vorhaben: Teil der Veränderung sollen unterschiedliche Projekte sein, die von der Deutschen Jazzunion initiiert sind. Dazu gehören etwa die Digitale Akademie, eine digitale Plattform, in der Aufklärungsarbeit rund um Diversitätsfragen in verschiedenen Veranstaltungen geleistet wird. Aber auch die Initiative „Future Jazz“, einem Workshop-Programm, in dem schon früh über gegenderte Mechanismen geredet und der Austausch darüber gefördert werden soll. Und das bereits in den Strukturen, in denen die professionellen Jazzmusiker*innen von morgen heranwachsen. Linda Davis ist es deshalb so wichtig, schon früh anzusetzen,
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Räume aufbrechen, Zugänge ermöglichen: Auch Quoten werden als wichtiger Faktor betrachtet, um einen gerechten Einstieg für FLINTA-Personen in der Szene zu ermöglichen. Bettina Bohle erklärt:
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Ein ganzheitlicher Ansatz: Von Bildung, Empowerment über Quoten hin zum Kampf um grundsätzliche Aufmerksamkeit in der Kulturpolitik. Gefühlte Ungerechtigkeiten in einen politischen Kampf verwandeln und politische Kämpfe organisieren. Linda Davis von der Deutschen Jazzunion ist zuversichtlich:
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Aktuell erregt ein Statement der Vokalistin und Queer-Cheer-Mitstreiterin Friede Merz Aufsehen in der deutschen Jazzszene — ihr Vorwurf: Machtmissbrauch im Musikhochschulbetrieb, konkret eine missbräuchliche Beziehung zu ihrem ehemaligen Professoren Greg Cohen. Ein Statement, dass derzeit die Debatte rund um Machtmissbrauch und sexualisierte Gewalt an deutschen Hochschulen und anderen Institutionen aufleben lässt. Und ein Diskurs, der noch tiefer greift als die konkrete Causa Friede Merz und Greg Cohen. Denn er zeigt auf, dass es nicht nur darum geht, ein diverseres Erscheinungsbild auf den Bühnen und in den Gremien zu kreieren. Sondern auch strukturelle Machtgefälle in den Fokus zu nehmen und über präventive Maßnahmen nachzudenken. Wie die Szene langfristig mit diesen Herausforderungen umgeht, wird sich zeigen.
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Es braucht letztlich einen gesamtgesellschaftlichen Prozess, um etwas zu bewegen. Die Jazzszene ist da sicherlich ein kleiner Teil eines großen Mechanismus. Ich bin aber der Überzeugung, dass gerade der Jazz dafür prädestiniert ist, gesellschaftliche Veränderung zu schaffen. Weil er eben da zuhause ist, in der gesellschaftlichen Kritik.
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In diesen Kapiteln hast du hoffentlich viele Antworten gefunden. Antworten darauf, warum deine Hör- und Sehgewohheiten so sind wie sie sind. Und wie du ihn ändern kann, deinen Blick auf die vermeintlichen blinden Flecke im Jazz.


Zentral ist doch, wie wir über die Geschichte nachdenken, hinterfragen, warum wir all diese Perspektiven als so besonders wahrnehmen. Uns fragen, wer Geschichte schreibt, wer wann wie bestimmt, wer in die Geschichte eingeht. Und mit diesem Wissen unsere Hör- und Sehgewohnheiten formen. Denn wer das Ohr für Unerhörtes öffnet, kann seinen Zugang zur Welt öffnen. Und letztlich etwas über sich selbst lernen.
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Danksagung

Merci an:
Meine Betreuer*innen:
  • Michael Wende
  • Dorothee Riemer

Meine Produktionshilfen:
  • David Bakke
  • Paul Kindler
  • Peter Steinert
  • Elisa Taggert
  • Markus Nick
Die Spielstätte Ella & Louis in Mannheim, insbesondere Sabrina Bertolini für ihre Untersützung
  • Alle Menschen, die mich seelisch unterstützt haben

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1.1 Haltungsproblem

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Jazzstudie 2022, S.49.
Jazzstudie 2022, S.49.
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Also Stichwort Instrumentalverteilung — wer spielt welches Instrument? Auch darauf gibt mir die Jazzstudie eine Antwort: Unter den männlich befragten Teilnehmer*innen geben über 96 % an, im Instrumentalbereich unterwegs zu sein, während etwas mehr als die Hälfte der Frauen hauptberuflich ein Instrument spielen.

Der restliche Anteil der Frauen verteilt sich mit um die 30 % auf den Vokalbereich auf, während knapp 14 % hauptberuflich sowohl singen als auch ein Instrument spielen. Oft nehmen Frauen zusätzlich noch die Rolle der Bandleaderin ein, weil die Gesangsrolle meistens mit dieser Funktion verbunden ist.
Jazzstudie 2022, S.49.
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Immerhin, Frauen ziehen im Instrumentalbereich nach. Aber dass mehr Frauen im Vokalbereich unterwegs sind, hat ja sicherlich nichts damit zu tun, dass Frauen besser singen oder nicht so gut Instrumente spielen können.

Die Ursache des Problems setzt dabei schon viel früher an, wie mit Bettina Bohle von der Deutschen Jazzunion erzählt.

Sie plädiert für eine geschlechtersensible Jazzpädagogik:
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Refocus Herstory Pt.1

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3.2 Interview GABRIELE MAURER

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Interview 1

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Wie können Räume in der Jazzszene so gestaltet werden, dass auch queere Menschen sich sicher und willkommen fühlen? Ideen dafür liefert das noch recht junge Kollektiv „Queer Cheer — Community for „Jazz“ and Improvised Music“, bei dem Erik Leuthäuser unter anderem Mitbegründer ist. Die Gruppe hat den Sonderpreis des Deutschen Jazzpreis 2023 gewonnen. „Queer Cheer“ ist eine aktivistische Gruppe, die sich für die Interessen queerer Musiker*innen einsetzt.
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INSIDE / OUTSIDE

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Klar, wer einen starken finanziellen Rückhalt hat, sei es im Studium, oder später im Berufsleben, dem tut ein unregelmäßiges Einkommen vielleicht nicht ganz so weh.


Ein akademischer Background - damit wird auch das weitergereicht, was Pierre Bourdieu als "kulturelle Resource" bezeichnet: Wie etwa Wissen, Bildung, Geschmack oder kulturelle Netzwerke.


Kurz gesagt: Wer kann es sich eigentlich leisten, in einem prekären Arbeitsumfeld zu arbeiten? Und wer erhält schon früh Förderung, kann auf Vitamin B zurückgreifen und von Anfang an davon profitieren? Dementsprechend geht es auch um blinde Flecken in der Statistik, nämlich um die Menschen, die bestimmte Chancen eben nicht haben. Und deswegen vorzeitig auf dem Weg in die Professionalität ausscheiden:
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Im Kontext von Care-Arbeit stehe beispielsweise die Forderung nach Kinderbetreuung während Jury- und Gremientätigkeiten, Festivals und Konzerten. Letztlich sei es aber eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, dass Care-Arbeit eben nicht nur von FLINTA-Personen getragen wird. Insgesamt sieht Linda Davis die Jazzszene dabei nicht als isolierten Mikrokosmos, sondern als Teil einer größeren Veränderung:
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Expertin Monika Herzig

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Und dennoch gibt es Jazzmusikerinnen, die sich entgegen der damaligen Rollenvorstellungen in die Musikszene wagen und in Bands spielen. Wie etwa die deutsche Jazzpianistin Jutta Hipp, die als „Europe’s First Lady in Jazz“ gilt. Durch ein Angebot des Jazzmusikers und Musikjournalisten Leonard Feather geht sie Mitte der 1950er Jahre nach einer aufstrebenden europäischen Karriere in die USA: und erhält dort als erste europäische Jazzmusikerin und zweite weiße Musikerin überhaupt einen Vertrag bei dem legendären Record-Label „Blue Note Records“. Zwei Jahre später steht ihre Karriere jedoch auf dem Spiel: Künstlerische Differenzen, heißt es. Aber auch die Verweigerung, sich auf den verheirateten Feather einzulassen. Die Unterstützung von seiner Seite bricht komplett weg, er berichtet nur noch hämisch über sie, das Netzwerk der Musikerin fällt auseinander. In der Szene zu bestehen, ist auch aus anderen Gründen schwierig, sagt Monika Herzig:
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Jutta Hipp spielt daraufhin nur noch in kleineren Clubs, nimmt keine Musik mehr auf. Und wird schließlich Näherin in einer Kleiderfabrik in Queens. Eine Biographie, die von unfassbaren Machtgefällen zeugt. Und demonstriert, wie oft männliche Akteure dafür sorgen, dass Frauen schnell in der Musikgeschichtsschreibung verschwinden können. Die männlich dominierte Jazzszene ist für FLINTA in der Geschichte immer auch ein Ort der Gefahr:
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Auf Tour sein. In männlich dominierten Räumen unterwegs sein. Jazzmusikerin im vergangenen Jahrhundert zu sein, bedeutet auch vor allen Dingen sexualisiert zu werden. Und weniger als Musikerin betrachtet zu werden. Das ist oftmals auch mit der Rolle der Sängerin verbunden, die unabdingbar für frühere, klassische Jazzformationen ist:
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Geschlechterorientierte Instrumentalwahl und die damit verbundene fehlende Präsenz von Instrumentalistinnen — das gibt es ja noch nach wie vor. Damit ist allerdings noch sehr viel mehr verbunden. In der Improvisation etwa: Sich trauen, Raum einzunehmen, zeigen, was man kann, Risikobereitschaft. Diese Fähigkeiten werden, leider nach wie vor, eher in der männlichen Sozialisation vermittelt. Zusätzlich spielt auch der Wettbewerbsgedanke, der schon in den frühen Jazzszene besteht, eine starke Rolle. Das liegt daran, …
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Ein musikalisches Kräftemessen, das letztlich darüber entscheidet, wer sich in der Szene behaupten kann und wer nicht:

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Die Performanz von Geschlecht und die Performanz von Musik gehen also Hand in Hand. Deswegen ist es nicht verwunderlich, dass in der Geschichte des Jazz vor allen Dingen männliche Stars gefeiert werden. Durchsetzungsfähigkeit, Mut, Risiko. All diese Fähigkeiten werden oft mit einem Geniekult verbunden, der mit eben diesen Eigenschaften konnotiert ist. Wir kennen das ja aus der klassischen, europäischen Musik: Bach, Mozart, Beethoven. Aber auch im Jazz gibt es Namen, die genauso mit Genie verknüpft sind: Louis Armstrong, John Coltrane oder Miles Davis.Jazz & Gender. Ein Forschungsfeld, in dem deutlich wird, dass die musikalischen Räume im Jazz schon immer von Machtgefällen durchzogen sind. Stark umkämpfte Räume: Für männliche Musiker ein spielerischer Wettbewerb auf den Rent-Parties und Cutting-Sessions, für FLINTA-Personen ein Kampf um eine grundsätzliche Daseinsberechtigung. Ich frage mich, wie viele Jutta Hipps es in der Jazzgeschichte gibt. Wie viele sind einfach vergessen? Und wie viele Musiker*innen wohl in den Archiven unentdeckt sind?
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Kapitel 5.1

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findet die Schweizer Sängerin Lucia Cadotsch. Sie lebt seit Jahren in Berlin und ist spätestens seit der Ehrung mit dem deutschen Jazzpreis 2021 in der zeitgenössischen Jazzszene etabliert. Dabei ist schon seit langer Zeit Bandleaderin für verschiedene Bandformationen, wie etwa für ihr Trio „Speak Low“ oder „Liun & The Science Fiction Orchestra“. Und hat so ihre Erfahrungen in einer männlich dominierten Jazzszene gemacht. Und sieht sich oft in der Minderheit: Die Sängerin erzählt mir von ihrem Konzert, das sie einen Tag vor unserem Gespräch gegeben hat:
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Dabei hat eine besondere Erfahrung ihr klar gemacht, in welcher Situation sie sich überhaupt befindet:
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Die einzige Frau sein. In einer Bandformation hat das noch einmal eine ganz bestimmte Bedeutung. Und das hängt stark mit ihrer Funktion als Bandleaderin zusammen — eine merkwürdige Doppelrolle, wie die Sängerin findet:
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Lucia Cadotsch sieht sich oft gezwungen, sich zu der Rolle der Sängerin und den damit verbunden Erwartungen zu verhalten. Gedankengänge, mit denen sich männliche Musiker nicht unbedingt auseinandersetzen müssen. Ein Fakt, der die Sängerin immer wieder verärgert:
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Gerade weil die Rolle der Sängerin oft auch mit negativen Eigenschaften wie Eitelkeit oder Diventum assoziiert ist, muss die Musikerin erst lernen, Raum einzunehmen. Und das Selbstbild, die Selbsterzählung über dieses Stereotyp verlernen:
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Raum einnehmen wird zum emanzipativen Akt. Ein Weg, der von manchen männlichen Kollegen nicht wahrgenommen und anerkannt wird, sogar mit Sexualisierung einhergeht:
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Wut auf die vorherrschenden Strukturen. Und der Wille, da nicht mehr mitzumachen. Das ist für Lucia Cadotsch ein Lebensthema, das sie auch musikalisch verarbeitet: Die Sängerin prangert auf dem Debütalbum „AKI“ mit ihrer gleichnamigen Band patriarchale Strukturen in der Musikwelt an. Wie etwa in ihrem widerständigen Song „I WON’T“:
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Für Lucia Cadotsch ist jedenfalls klar, dass Genietum und FLINTA-Sein durchaus zusammengeht. Sei es in der Vergangenheit oder im Hier und Jetzt:
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